Wetten dass… das nicht so gemeint war?!

Manchmal, wenn ich so ins Internet gucke, überkommt mich eine unerwartete Sympathiewelle mit allen Menschen dieser Welt, die sich mit Kindern auseinandersetzen müssen. Spezifischer mit der Aussage “Ich war’s nicht!” trotz Zeugenaussagen (“Petze!”) und überwältigender Indizienlast (die Keksdose ist leer). Scheinbar ist es bisweilen unmöglich, das Offensichtliche zuzugeben bzw. überhaupt zu akzeptieren, daß es offensichtlich ist und sich einer Umdichtung durch die eigene Interpretation entzieht. Während Kinder dann u.U. einfach bockig sind, wäre ein erwachsener Umgang, eine objektive Reatität außerhab der eigenen Wahrnehmung zuzugestehen, die Verantwortung für Handlungen zu übernehmen, sie und sich selbst zu reflektieren und sich ggf. zu entschuldigen.

 

In der Realität laufen Konflikte leider und unglaublicherweise auch unter Erwachsenen immer und immer wieder nach dem Kinder-Schema F ab. Neuestes Beispiel, die Wetten Dass…? –”Black Facing”-Geschichte: Eine "erwachsene” Reaktion hätte ungefähr so ausgesehen:” Oh ja, ihr habt recht, das war echt ne Nullnummer, sorry, kommt nicht wieder vor, wir geloben Besserung.” Und damit würden sich vermutlich alle Beteiligten zufrieden geben. Statt dessen wird aber erst mal auf stur gestellt. Ich war’s nicht, heißt dann “Wir haben uns doch nix (Böses) dabei gedacht, ich verstehe gar nicht wieso wir jetzt was zugeben sollen, was wir gar nicht getan haben.” Und etliche Menschen sehen sich bemüßigt, diese Taktik auch noch zu affirmieren – mit einer Flut von Tweets, Posts, Kommentaren und Artikeln… Und da wird es dann erst so richtig widerlich.

 

Gesinnungsethik ist bekanntlich eine deutsche Spezialität: wenn man etwas “so nicht gemeint hat”, dann ist es selbstverständlich auch nicht so. Dumm nur, wenn nicht alle die gleiche vulgär-idealistische  “Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt”-Blase bewohnen, sondern einige Menschen außerhalb sich zu recht darüber beklagen, daß es ja wohl nicht sein kann, daß Rassisten festlegen was Rassismus ist. Aber auch dafür hat man in der Idealismus-Bubble bereits die perfekte Abwehrmethode entwickelt: “Jetzt kommt uns nicht mit euren subjektiven Befindlichkeiten!” schreit man den KritikerInnen entgegen, denn die Idealismus-Bubble kommt selbstverständlich mit Objektivitätsanspruch. Und wer den als erster beansprucht hat, der darf ihn auch behalten. Ey, älteste Spielregel wo gibt. Und anders gülded nicht.

 

Also ist es auch voll kindisch (Lieblingsvokabel: infantil) von den Kritiker*innen, ihnen das redlich erworbene Recht des Rechthabens jetzt auch noch streitig zu machen. Ist doch schon verdächtig, wenn man sich nicht nur nicht an die Spielregeln hält, sondern auch immer und immer wieder über sie diskutieren muß. Und nervig. Und überhaupt, sich immer mit den Außerbubble-Perspektiven befassen zu müssen, verdirbt einem voll den Spaß. Ich meine: Geht’s noch?! Schlimm genug dauernd mit dem Subjektivitätsscheiß dieser ganzen selbsternannten Gutmenschen konfrontiert zu werden, aber dem auch noch nachzugeben?! Keinesfalls! Dann lieber die beliebte Alibi-Karte zücken und jemanden finden, der die eigene Position bestätigt. Schau mal, XY, der/die ist schwarz und fühlt sich gar nicht beleidigt. Also, müßt ihr spaßfreien TugendterroristInnen jetzt aber auch zugeben, daß es eigentlich nur darum geht, euch besser zu fühlen, denn XY geht’s ja gar nicht schlecht. Höhöhö.

[/ironie]

 

Daß auf jede*n XY, der*die als Zeug*in für die angebliche Harmlosigkeit der getätigten Aussagen herangezogen werden kann, ein vielfaches von Betroffenen kommt, die sich durchaus getroffen und verletzt fühlen, wird selbstverständlich gewissenhaft ignoriert.

 

Was ich eigentlich interessant daran finde, ist daß es offensichtlich so ein totales No Go ist, einen rassistischen Faux-Pas zuzugestehen; statt dessen wird – vorgeblich als Verteidigungsstrategie - lieber das gesamte Wahnsystem ausgepackt, damit auch wirklich kein Zweifel mehr dran besteht, daß es eben nicht nur ein Faux-Pas war. Dabei wäre es zur Schadensbegrenzung eigentlich wirklich klüger, einfach zugeben, daß man nicht für 5p mitgedacht und deswegen seinem unreflektierem Ressentiment freien Lauf gewährt hat. Aber vermutlich ist es eine zu große narzisstische Kränkung mal nicht recht zu behalten…

 

Und Rassist*innen, das sind immer nur die anderen. (Ebenfalls gute deutsche Tradition) “Rassist/in” das kann man nur als “Nazi” denken, also als jemanden, dessen ganze Identität sich ums rassistische Weltbild dreht, der Molotov-Cocktails in Asylbewerber*innen-Unterkünfte wirft und dazu die erste Strophe des Deutschlandliedes singt. Alle anderen sind fein raus.

 

Tatsächlich sind aber rassistische Einstellungen sehr viel fragmentarischer, also nicht die ganze Identität bestimmend, ja nicht mal notwendig an eine rechtsradikale Weltanschauung geknüpft. Das kann ganz ‘harmlos’ in Stereotypen daherkommen wie der Idee, People of Colour hätten ein besseres Rhythmus-Gefühl und könnten deswegen so toll tanzen (ja, es gibt auch ‘positiven’ Rassismus). Oder daß sich ständig Leute bemüßigt fühlen nachzufragen, woher die Person denn kommt, die da so offensichtlich nicht deutsch, also weiß, aussieht. Soll heißen: das rassistische Spektrum ist deutlich breiter als der deutsche Mainstream wahrnehmen möchte.

 

Nur so läßt es sich überhaupt erklären, daß nach Meinung der Mehrheit nicht nur das Blackfacing bei Wetten dass…? total unproblematisch war, sondern auch die unreflektierte Nostalgie gegenüber Michael Endes Kinderbuch. (See follow-up post) Überhaupt möchte man in Deutschland Rassismus in Kinderbüchern am liebsten ignorieren, das hat ja schon die N-Wort-Debatte vor einem Jahr deutlich gezeigt. Egal was der Aufhänger ist, es führt immer dazu, daß berechtigte Kritik im Zuge eigener Nicht-Betroffenheit abgewehrt wird: Ich verstehe nicht, was das Problem ist, also kann es auch objektiv keins geben. Ich meine es nicht so, also ist es auch objektiv nicht so gemeint.

 

Ist Deutschland wirklich so provinziell, daß solche Aussagen immer noch mainstream-kompatibel sind?

Sind so viele Menschen wirklich nicht in der Lage sich aus einer so infantilen Weltsicht zu befreien? Ich kann soviel Borniertheit einfach gar nicht fassen…

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen