Notizen: Maischberger, Homosexualitäts-Sendung

Bei dem Titel war der Aufruhr schon vorprogrammiert: "Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die moralische Umerziehung?" hatte man die Sendung genannt und tatsächlich auch Menschen eingeladen, die das bejahen würden: Hartmut Steeb, seines Zeichens Generalsekretär der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz, lies: christlicher Fundamentalist und Birgit Kelle, eine Apologetin der deutschen Mütterlichkeit, die u.a. für die Junge Freiheit schreibt. Das ist ungefähr so als würde man Vertreter der NPD zum Asylrecht sprechen lassen – die Frage wäre also, warum um alles in der Welt die Öffentlich-Rechtlichen solchen rechts-außen Meinungen eine Plattform bieten. 

Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand: Erstens, weil es Einschaltquoten generiert. Bereits im Vorfeld war klar, daß sich da ein skandalträchtiges Spektakel abspielen würde – und wer will da nicht live dabei sein?

Zweitens rückt man natürlich die Positionen der anderen Diskussionsteilnehmerinnen in ein vorteilhaftes Licht, wenn man sie mit ein paar durchgeknallten Spinnern kontrastiert. Namentlich gingen für diese 'gemäßigte Positionen' ins Rennen: Hera Lind, Autorin von 90er Jahre Bestsellern wie “Das Superweib” und Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, seit seiner diesbezüglichen Aussage zur Pille Danach den schönen Beinamen #wiesmarties trägt. Was Lind für die Diskussion qualifiziert ist unklar – sie ist 4-fache Mutter und betrachtet sich scheinbar als liberal und weltoffen*, das scheint zu reichen – während es bei Spahn offensichtlich die eigene Homosexualität ist. (Klar, subjektive Betroffenheit befähigt immer zur sinnvollen Diskussionbeiträgen.)

Last but not least hat man sich noch einen Farbtupfer eingeladen, Transvestiekünstlerin Olivia Jones durfte auch noch mitspielen und die Radikalität des Regenbogens repräsentieren. (In dem gegebenen Rahmen ist es recht deutlich, daß es darum ging, noch eine “Freakposition” zu besetzen – und wie kann man ein Othering von Homosexualität besser betreiben als durch den Einsatz eines Paradiesvogels mit “Persönlichkeitsstörung” (Zitat OJ, leider.)

Allein aus dieser Konstellation der Diskussionsteilnehmerinnen war das Ergebnis der Sendung bereits voraussehbar: Der*die Zuschauer*in konnte sich guten Gewissens mit den Mainstream-Positionen identifizieren und sich seiner*ihrer selbst versichern, denn wenn sogar der schwule Spahn die Erwähnung von Trans- und Intersexualität im Lehrplan für übertrieben hält, und Lind meint, das mit der Homophobie sei wie mit dem Feminismus, bald könne man darüber lachen, dann ist ja alles schon soweit in Ordnung wie ist, oder? Weil, na klar, Homosexualität ist voll okay, solange die beteiligten Personen biologisch eindeutig sind und die vollständige Gleichberechtigung von Frauen ist sowieso bereits erreicht. Wer könnte das bestreiten?! Also immer mal locker bleiben…

Die Diskussion selber drehte sich - wen überrascht es - um alles nur nicht um den Bildungsplan, den Kelle aber – wie sie extra betonte (!) – sogar gelesen hatte (Fleißbienchen!); statt dessen wurden in Stammtisch, Verzeihung…Talk-Show-Manier Befindlichkeiten ausgetauscht und an den allseits beliebten “Keulen”-Vorwürfen gestrickt.  (Ich frage mich, ob schon mal jemand eine sprachwissenschaftliche Arbeit zum Begriff der “Keule” und ihre Abwehrfunktion berechtigter Kritik als “Totschlagargument” im deutschen Sprachgebrauch geschrieben hat… muß ich bei Gelegenheit mal recherchieren; es scheint auf jeden Fall schon ungefähr denselben Status zu haben wie “Ich bin ja kein*e XY, aber…”)

Über die getauschten “Argumente” muß man entsprechend nicht weiter reden – das Niveau entsprach ungefähr dem von FOX News-Sendungen, die Colbert und Stewart üblicherweise für ihre Shows verbraten, Realsatire halt.

Schönster Moment war wohl, als Birgit Kelle sich darüber ausließ, daß es nicht sein könne, daß Grundschulkindern von der lesbischen (!?!) Sexualpraktik Cunnilingus erzählt werde. Man sieht die Panik direkt in ihrem Gesicht. Oralsex ist offensichtlich unbekannt im Hause Kelle.



Ja, was soll ich sagen? Daß ich mich freue daß mein GEZ-Beitrag in solche Bildungssendungen gesteckt wird? Yey!

Link zur Seite der Sendung
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*Zitat Lind nach SZ, Januar 2011 zur Geburt des Kindes von Elton John und David Furbish: "Abgesehen von ihrem Alter und ihrer Gleichgeschlechtlichkeit, setzen sie dieses bestellte Luxusmodel auch noch einer grausamen Öffentlichkeit aus. Hätten sich die beiden nicht ein Hündchen zum Liebhaben zulegen können?"

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